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Einheit 4
Kapitel 6

Einführung in kognitive Verzerrungen (Denkfehler).

Die wichtigsten Lernziele

  1. Einführung in „kognitive Verzerrungen”: Alle Menschen sind anfällig für Denkfehler und neigen dazu, in vorhersehbare Muster zu fallen. Einer der Hauptschwerpunkte von KVT und dem Rest dieses Romans ist das Erkennen und Korrigieren von Harrys verzerrtem Denken.

  2. Vorstellung des KVT-Grundprinzips Nr. 2: Gedanken sind nur Ideen. Nur weil man etwas denkt, heißt das nicht unbedingt, dass es wahr ist: Einer der häufigsten Fehler, die wir alle machen, auch Menschen mit Depressionen und Angstzuständen, besteht darin, anzunehmen, dass alle unsere Gedanken korrekt sind. Gedanken sind reale Dinge, aber einen Gedanken zu haben, ist kein Beweis für seine Wahrheit oder Realität.

  3. Diskussion über die Bedeutung von Hinweisen: KVT fordert Menschen auf, ihre Gedanken analytisch zu betrachten und nach Beweisen zu suchen, die ihre ängstlichen oder depressiven Gedanken stützen oder widerlegen könnten. Ziel ist eine „kognitive Flexibilität”, also die Fähigkeit, Hinweise abzuwägen und zu einem ausgewogeneren und rationaleren Gedanken zu gelangen.

  4. Vorstellung des KVT-Grundprinzips Nr. 3: Es kommt nicht auf die Situation an, sondern darauf, wie man darüber denkt: Kognitive Verzerrungen führen dazu, dass Menschen schlechte Vorhersagen über ihre Fähigkeit treffen, mit den Hürden des Lebens umzugehen. Aber wenn wir diese Gedanken hinterfragen, können wir lernen, mit schwierigen Situationen besser umzugehen.

KVT-Grundlagen

Einführung in kognitive Verzerrungen

Kognitive Verzerrungen sind Denkfehler. Diese Denkfehler passieren gelegentlich jedem, kommen aber häufig bei depressiven und ängstlichen Menschen vor. Sie können uns daran hindern, uns selbst und unsere Erfahrungen richtig einzuschätzen. Denkfehler führen dazu, dass wir schlechte Vorhersagen treffen, voreilige Schlussfolgerungen ziehen und negative Hinweise herausfiltern. Sie können den Tatsachen im Wege stehen oder dazu führen, dass wir sie verfälschen.

Beispiele von kognitiven Verzerrungen:

  • Emotionales Denken — Gefühle als Fakten betrachten. Zum Beispiel: „Ich habe Angst vor der Prüfung und weiß daher, dass ich durchfallen werde.“

  • Katastrophieren — man nimmt ein relativ kleines Ereignis und stellt sich das schlimmstmögliche Ergebnis vor. Zum Beispiel: „Ich habe bei einem Test ein „Genügend“ bekommen, was bedeutet, dass ich den Kurs am Ende nicht bestehen werde, was bedeutet, dass ich nicht an die Universität kommen werde, was bedeutet, dass ich meinen Traum, Arzt zu werden, nicht verwirklichen kann usw.“

  • Alles-oder-Nichts-Denken/Schwarz-oder-Weiß-Denken — Denken nur in Extremen, ohne das „Grau“, das dem Leben innewohnt, wertzuschätzen. Es handelt sich um eine Tendenz, die Welt und ihre Erfahrungen entweder als nur gut oder nur schlecht zu betrachten. Z.B:

    • „Mein Klavierabend war eine Katastrophe, weil ich einen Fehler gemacht habe“

    • „Mein Vater hat mich angeschrien, also hasst er mich“

    • „Die Lehrerin hat mich nicht für die Beantwortung der Frage ausgewählt, daher gehöre ich nicht zu den besten Schülern.“

      (Die zwei letzteren Beispiel sind auch Beispiele für „Gedankenlesen“ — siehe unten)

  • Gedankenlesen — Man denkt, dass man weiß, was andere denken. Wir alle machen das, aber Menschen mit Depressionen und Angstzuständen machen oft ungenaue Vorhersagen und ziehen andere Optionen nicht in Betracht. Gehen wir vom obigen Beispiel aus. Die Schülerin hat nicht darüber nachgedacht, dass es viele andere Möglichkeiten gibt, einschließlich der Tatsache, dass die Lehrerin sie für eine starke Schülerin hält und die Schwächeren auswählt, um zu versuchen, ihnen weiterzuhelfen (dies ähnelt Harrys Fehler bei Lupin und dem Irrwicht, siehe Kapitel 7). Ein weiteres häufiges Beispiel ist, dass ein Teenager jemandem eine SMS schreibt, nicht sofort eine Antwort erhält und annimmt, dass die andere Person wütend auf ihn ist.

  • Wahrsagerei — Vorhersagen über die Zukunft treffen, die oft negativ sind. Das Problem dabei ist, dass man, wenn man davon ausgeht, dass eine Zukunft festgelegt ist, möglicherweise keine Maßnahmen ergreift, um die gewünschte Zukunft zu schaffen. Dies kann zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung führen. Wenn man beispielsweise davon überzeugt ist, dass man es nie in die Eishockeymannschaft der Schule schaffen wird, kann es sein, dass man sich beim Probetraining nicht richtig anstrengt, was dazu führt, dass man es nicht in die Mannschaft schafft.

  • Überverallgemeinerung — man nimmt das Ergebnis eines einzelnen Ereignisses und zieht daraus den Schluss, dass alle anderen Ereignisse dem gleichen Muster folgen werden. Dazu gehört oft die Vorstellung, dass etwas „immer“ oder „nie“ wahr ist. Zum Beispiel: „Joshua versteht sich nicht mit mir, deshalb werde ich nie Freunde haben.“

  • Mentaler Filter — Informationen auswählen, die zu unseren vorgefassten negativen Vorstellungen passen. Wenn wir beispielsweise glauben, dass ein Klassenkamerad uns nicht mag, können wir die einzige negative Sache, die er gesagt hat, als Beweis dafür herausgreifen und die 10 netten Dinge ignorieren.

  • Vergrößerung — Aus einem Maulwurfshügel einen Berg machen. Zum Beispiel: „Mir wurde auf der Party schlecht. Jetzt werde ich mich wahrscheinlich auf jeder Party krank fühlen und niemand wird mich mögen.“

  • Minimierung — Dies geht oft mit der Vergrößerung einher. Während negative Ereignisse aufgebauscht werden, werden persönliche Erfolge und Fähigkeiten minimiert. Dies ist ein Weg, sich selbst nicht wertzuschätzen. Zum Beispiel: „Wen interessiert mein »Sehr gut« in Englisch?“ „Ich war in Mathe nicht gut und das beweist, dass ich dumm bin.“

  • Etikettierung — Das letzte Beispiel („Ich bin dumm“) ist auch ein Beispiel dafür, wie man sich selbst allgemein etikettiert. Menschen, die depressiv oder ängstlich sind, halten sich oft für „schlecht“, „dumm“, „fett“, „hässlich“ und „unliebenswert“. Dies kann als eine Form von „innerem Mobbing“ angesehen werden. Menschen können andere auch auf eine Weise abstempeln, die nicht konstruktiv ist.

  • Personalisierung — unter der Annahme, dass das, was andere sagen oder tun, eine direkte Reaktion auf Sie oder etwas, das Sie getan haben, ist. Beispielsweise geben sich Jugendliche oft selbst die Schuld für Streitigkeiten/Scheidung ihrer Eltern oder Todesfälle, über die sie keine Kontrolle hatten.

  • Sollte-Aussagen — Gedanken, die Erwartungen und negative Urteile beinhalten wie „Ich hätte beim Tanzwettbewerb Erster werden können“ oder „Ich hätte mehr Freunde haben sollen“. Die Aussagen positionieren Wünsche („Ich hätte gerne mehr Freunde“) im Allgemeinen als Imperative, die als persönliches Versagen aufgefasst werden.

Sowohl Gedankenlesen als auch Wahrsagerei sind Teil einer größeren Verzerrung, nämlich die des vorschnellen Springens zu Schlüssen. Harry springt sehr rasch zu Schlüssen in diesem Kapitel und im Anfangsteil des Buches. Später verbringt er dann deutlich mehr Zeit damit, Hinweise zu sammeln um falsche, sprunghafte Schlüsse zu vermeiden.

Die oben genannten Denkfehler werden oft für bare Münze genommen, was zu mehr negativem Denken sowie negativerem Verhalten und negativer Stimmung führt. Die gute Nachricht ist, dass wir die Möglichkeit haben, einen Schritt zurückzutreten und einen neuen Blick auf unsere Denkweise zu werfen, was uns helfen kann, wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Tatsächlich besteht der gemeinsame „Wirkstoff“ aller von Psychologen angebotenen Gesprächstherapien darin, die Menschen dazu zu ermutigen, einen Blick auf ihre Gedanken zu werfen und zu prüfen, ob sie anders über sie denken können. KVT verfügt hierfür über eine sehr spezifische Methode, die im Folgenden beschrieben wird.

Wir alle denken jeden Tag Tausende von Gedanken. Viele von ihnen werden der Realität gut entsprechen („Mein Geburtstag ist morgen“), einige jedoch nicht („Niemand kümmert sich darum, dass ich Geburtstag habe“). Daher betreffen kognitive Verzerrungen jeden — wir alle erleben sie im Laufe des Lebens immer wieder. Es ist wichtig, den Schüler*innen diese Tatsache zu verdeutlichen, damit sie wissen, dass sie mit ihren Schwierigkeiten nicht allein sind. Viele Jugendliche (und Erwachsene) gehen davon aus, dass ihre Gedanken wahr sein müssen (z. B. „Sie hat mich nicht angesehen, als ich im Flur an ihr vorbeiging, also muss sie sauer auf mich sein!“). Der entscheidende Punkt ist, dass dem nicht so ist. Gedanken sind nur Gedanken. Wir können das anhand einiger extremer Beispiele erkennen. Wenn jemand denkt: „Es besteht eine 100-prozentige Chance, dass mich ein Blitz trifft“ oder „Ich gewinne garantiert im Lotto“ oder „Ich habe William Shakespeares Stücke geschrieben“, dann sind diese Gedanken offensichtlich falsch und das daran Denken macht sie nicht wahrer.

Die Bedeutung von Beweisen

Wenn einige unserer Gedanken wahr sind und andere nicht, müssen wir offen für flexibles Denken sein und die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass einige Gedanken einer Optimierung bedürfen, bevor wir zu dem Schluss kommen, dass sie richtig sind. Bei der kognitiven Verhaltenstherapie tun wir dies, indem wir Hinweise sammeln, um zu sehen, wie viel Unterstützung es für einen Gedanken gibt und wie viele Hinweise es gibt, die ihn nicht stützen. Hinweis: Da Gedanken nur Ideen sind, können sie nicht als Beweismittel verwendet werden.

Nehmen wir den Gedanken: „Es interessiert niemanden, dass ich Geburtstag habe“. Hilfreiche Beweise wären unter anderem:

  • Erfahrungen aus der Vergangenheit — meine Familie macht zu meinem Geburtstag immer etwas Besonderes; jedes Jahr erhalte ich mindestens 5 Karten/E-Mails/SMS; Mehrere Leute haben mir immer alles Gute zum Geburtstag gewünscht und es schien, als ob sie es wirklich ernst meinten

  • aktuelle Ereignisse/Erlebnisse — meine beste Freundin sagte, sie freue sich auf morgen; Mein Vater hat für Samstag eine Party geplant

  • Menschen befragen/die Perspektiven anderer Menschen einholen — ich teilte meine Gedanken mit meiner Mutter und meiner Schwester, die beide von der Frage verwirrt waren und mir versicherten, dass sich alle um mich und meinen Geburtstag kümmern

Das folgende Beispiel/die folgende Tabelle veranschaulicht, wie dieser Prozess in Kapitel 6 funktioniert.

Professor Trelawney
Professor Trelawney und „der Grimm“ sind die Verkörperung verzerrten Denkens. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Wahrsagerin.
Das Lesen der Teeblätter veranschaulicht das Katastrophisieren, voreilige Schlussfolgerungen und den Wahrsagefehler:
„…. Hüten Sie sich vor einem rothaarigen Mann“
„Der Falke… mein Lieber, Sie haben einen Todfeind“
„Meine Güte, das ist keine schöne Tasse…“
„Der Schädel… da wartet Gefahr auf Sie, mein Lieber…“
„Sie haben den Grimm“ (ein Omen für den Tod)
Professor McGonagall
Professor McGonagall ist eine rationale Denkerin.
Nach dem Wahrsageunterricht fragt sie sarkastisch: „Und, wer von Ihnen wird dieses Jahr sterben?“
Und als sie sieht, wie besorgt Harry aussieht, bemerkt sie: „Dann sollten Sie wissen Potter, Sybill Trelawney,…, hat Jahr für Jahr den Tod eines Schülers vorausgesagt hat. Keiner davon ist bislang gestorben.“
Sie weist auch darauf hin, dass er sich in bester gesundheitlicher Verfassung zu befinden scheint.
Beachte, dass McGonagall nach Beweisen sucht, um Trelawneys Vorhersagen zu bewerten.
Hermine
Hermine ist auch eine rationale Denkerin.
Auch sie wertet die tatsächlichen Beweise aus. Sie schaut auf die Teeblätter: „Mir kommt das nicht wie ein Grimm vor“.
Sie weist darauf hin, dass das verzerrte Denken das Problem ist, das es zu bekämpfen gilt: „Der Grimm ist kein Omen, es ist die Todesursache!“ (d.h. die Sorge um den Grimm ist das wahre Problem)“.
Sie beschreibt Wahrsagen als „haarsträubender Unfug“.

Ergebnisse:

Harry hat seinen ersten Eindruck von der kognitiven Umstrukturierung (d.h. der Bekämpfung kognitiver Verzerrungen) bekommen.

Er fühlt sich besser: „Fern vom roten Dämmerlicht und den benebelnden Düften in Professor Trelawneys Klassenzimmer wurde ihm nicht so schnell vor einem Klumpen Teeblätter angst und bange.“

Harry ignoriert die Teeblätter und meldet sich freiwillig, um zu versuchen, sich dem Hippogreif zu nähern.

Er findet den Mut, sich seiner Angst vor Seidenschnabel zu stellen und seinen Nacken freizulegen (was ihn verwundbar macht).

Obwohl Fliegen eine Herausforderung ist, gelingt es Harry.

Diese Erfahrung mit Seidenschnabel veranschaulicht das KVT-Grundprinzip Nr. 3:

Wie hängt das Kapitel 6 mit KVT zusammen?

Die wichtigsten KVT-Punkte für dieses Kapitel beziehen sich auf kognitive Verzerrungen und sind in der obigen Tabelle beschrieben. Als Professor Trelawney die Teeblätter liest, wird sie zur Verkörperung verzerrten Denkens und verleiht dem ohnehin schon verletzlichen Harry eine Reihe von Denkfehlern. Sie demonstriert das Katastrophisieren, voreilige Schlussfolgerungen und den Wahrsagefehler. Als Trelawney den Grimm als Omen für Harry sieht, verspürt er Angst und ist unsicher. Auch einige seiner suggestiveren Klassenkameraden reagieren mit Angst und Traurigkeit. Dies zeigt uns den Zusammenhang zwischen kognitiven Verzerrungen und sowohl Angstzuständen als auch Depressionen.

Harry und seine Klassenkameraden gehen dann zur nächsten Unterrichtsstunde bei Professor McGonagall. Im Gegensatz zu Trelawney ist McGonagall eine rationale Denkerin. Sie hilft Harry und seiner Klasse zu verstehen, dass Trelawney jedes Jahr Vorhersagen macht, diese aber nie wahr werden. Ebenso erklärt Hermine (eine weitere rationale Denkerin) Harry in diesem Kapitel, dass das verzerrte Denken selbst das Problem ist, das man angehen muss und nicht das Omen (d.h. er könnte KVT gebrauchen). Sobald McGonagall und Hermine Harry bei der kognitiven Umstrukturierung helfen, verschwindet seine Angst vor Trelawneys Omen. Harry findet dann den Mut, sich seiner Angst vor dem Seidenschnabel zu stellen, und obwohl das Fliegen für Harry eine Herausforderung ist, hält er durch.

Lehrplan — Einführung in die kognitiven Verzerrungen

Denkfehler

Dauer: 1—2 Schulstunden

Lernziele:

  • Einführung in das Konzept kognitiver Verzerrungen und in die Vorstellung, dass die Art und Weise, wie wir über Situationen denken, sowohl unsere Stimmung als auch unser Verhalten beeinflusst.

  • Um hervorzuheben, wie wichtig es ist, objektive Beweise zu sammeln (Gedanken zählen nicht als Beweise!), wenn wir versuchen herauszufinden, wie wahr unsere Gedanken sind.

  • Vorstellung der KVT-Kernprinzipien Nr. 2 und Nr. 3: Gedanken sind nur Ideen, die möglicherweise nicht korrekt sind, und dass es nicht auf die Situation ankommt, sondern darauf, wie man darüber denkt.

Zusammenfassung von Aufgaben/Aktivitäten

Vorgeschlagene Aktivitäten/Planung der Einheit:

  • Dies ist eines der wichtigsten Kapitel des Buches. Es führt in die kognitive Verhaltenstherapie ein und vermittelt, dass es Strategien gibt, die helfen können, aufgewühlte Gedanken und Gefühle zu bewältigen — idealerweise sollte dies langsam vermittelt werden, mit viel Zeit für Diskussionen.

  • Diskutieren Sie die Leitfragen in Paaren, Gruppen oder in der Klasse.

  • Füllen Sie auch die Handouts „Kognitive Verzerrungen“ und „Charakterreaktion“ aus. Je nach Klasse kann dies entweder eigenständig oder in Zweier- oder Gruppenarbeit geschehen.

  • Sobald die Schüler die Tabelle ausgefüllt haben, kann jede Gruppe ihre Antworten dem Rest der Klasse vorstellen.

  • Die Schüler können als Hausaufgabe ein Brainstorming zu ihren eigenen „Stressdämpfern“ durchführen.

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